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Praktikumsbericht Ravenna

Stuckateur-Praktikum in Italien

Junge Handwerker haben viele Möglichkeiten, Werkstätten im In- und Ausland kennen zu lernen, und Berufsschule und Ausbildungsbetrieb gewähren die nötige „Auszeit“ gerne, denn sie zahlt sich in Zuwachs an Fähigkeiten, Lebenserfahrung und Motivation aus.

 

Eine dieser Möglichkeiten ist Go.for.europe, ein Gemeinschaftsprojekt der Baden-Württembergischen Wirtschaft. Carlo und Daniel haben sich dort beworben; die Fördergelder stellte der vermittelte Projektträger Let’s Go Azubi durch Stipendien des Erasmus + Programms bereit. Und dann hat der Ausbildungsleiter der Ueba in Leonberg, Herr Schweizer, bei uns angefragt, ob wir „für zwei besonders fähige Stuckateur-Lehrlinge“ einen Praktikumsplatz vermitteln könnten.

 

Wir konnten... Und wir haben „La Civetta di Minerva“ (die Eule der Athena) in Ravenna vorgeschlagen. Das ist kein Bauunternehmen im üblichen Sinne, sondern die Werkstatt eines Künstler-Handwerkers, der über umfassende Kenntnis der Handwerkstechniken seit frühester Zeit verfügt und selbst unermüdlich Neues entwickelt. Der Inhaber, Dott. Egidio Miserocchi, ist promovierter Architekt und ausgebildeter Mosaizist.

 

Das dreiwöchige Praktikum würde also ein theoretischer und praktischer Privatunterricht in vielerlei Arbeitsbereichen werden - und alle beteiligten Organisationen waren so flexibel und kreativ, sich auf diese besonderen Gegebenheiten einzulassen.

 

Wir berichten, was wir von den Stuckateuren erfahren haben und wollen nicht verschweigen, dass sie für das Praktikum Italienisch gelernt haben...!

(Alle Fotos ohne Namensnennung von Carlo und Daniel).


DIE WERKSTATT

Selten wird man einen Arbeitsplatz zu den Sehenswürdigkeiten einer Stadt zählen, aber hier könnte man fast auf diesen Gedanken kommen... Auf jeden Fall ist eine so gestaltete Werkstatt ein inspirierendes Ambiente und bietet eine Fülle praktischer Beispiele für Interessierte.

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Egidio hat sich von Minerva (die griechische Athene), Schutzgöttin der Künstler und Kreativen, ein Abbild ihrer Eule für sein Logo erbeten. In Mosaik gestaltet, wacht sie nun über seine Werkstatt.


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Manches, was hier verbaut ist, wurde aus Bauschutt gerettet, anderes in der Erde gefunden. So sieht heute in der Romagna landestypische „bäuerliche“ Spontanarchitektur aus: In des Wortes doppelter Bedeutung aus dieser Erde gewachsen - ein Identifikations-Angebot..


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Gelosie (Eifersucht - an modernen Häusern kennen wir sie als Jalousien), ein funktionales Schmuckelement traditioneller romagnolischer Bauernhäuser. Hier aus historischen (recycelten) handgestrichenen Ziegeln.


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Dieser Fries zieht sich um die ganze Werkstatt. Zur Technik s. „Kalkdruck – Blockdruck einmal anders“

(Das Foto hat unser webmaster Michael Traub beigesteuert; dafür herzlichen Dank.)


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Der Aufgang vom Arbeitsbereich zum "Pausenraum mit Aussicht"

 

So etwas kommt dabei heraus, wenn ein kreativer Handwerker mit profunder Materialkenntnis im Bauschutt stöbert... Die Blöcke aus Rosso di Verona, der Baumarkt-Pinienzapfen aus Zement, die Mosaiksteinchen auf der Treppe: alles Abfall - gewesen!

 

Hier verspricht das antike Symbol fruchtbare Arbeit; und schließlich wächst die Pinie auch auf dem Stadtwappen von Ravenna.


DIE ARBEIT

Der Meister ist ein erfahrener, äußerst vielseitiger Spezialist für die handwerkliche Zubereitung und Anwendung von natürlichem Kalkmörtel. Hier ist also der ideale Platz, diese fast vergessenen Techniken kennen zu lernen, die sich durch Jahrtausende bewährt haben und die heute wieder zunehmend geschätzt werden.

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Erster Arbeitstag: Eine Wand soll verputzt werden. Die Ziegelmauer wird großzügig vorgenäßt, der Mörtel aus Sumpfkalk, Sand, Wasser, Marmormehl, Seife und natürlichem Ocker auf der Baustelle gemischt und mit der Kelle angeworfen.

 

Diese Mauer aus (recycelten) Ziegelsteinen ist sehr ungleichmäßig, da braucht es viel Erfahrung und Geschicklichkeit, um Metallabrieb von der Kelle zu vermeiden. Für Daniel war die ungewohnte Aufgabe kein Problem.


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Unebenheiten können sofort nach dem Auftrag mit dem Schwammbrett ausgeglichen werden. Sobald der Putz zu trocknen beginnt, muss er wieder angenäßt werden.


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Jetzt wird der Putz verpreßt. Wenn nötig, kann eine weitere, leichte Mörtel-schicht darübergelegt werden, um das Oberflächenbild zu optimieren. Daniel hat ordentlich gearbeitet und konnte sich diese Arbeit sparen.


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Und gleich geht es weiter zu einer anspruchsvollen Aufgabe, bei der sehr schnell gearbeitet werden muss: Marmorierter Glanzputz steht auf dem Programm, eine große Herausforderung für junge Handwerker. Speziell darauf abgestimmter Baustellenmörtel wird aufgespachtelt und so intensiv wie möglich verpreßt - der Putz soll glänzen wie polierter Marmor. Am meisten Erfahrung erfordert das Feststellen des optimalen Feuchtegrades. Ist er zu hoch, wird Material abgerieben, und wenn der Mörtel zu trocken ist, läßt er sich nicht mehr verpressen und bleibt matt.

Das Marmormuster wird mit natürlichen Erden a fresco so zügig aufgemalt, dass das Trocknen der Oberfläche vermieden wird. Hier hat es nicht lückenlos geklappt; nun versucht Egidio, mit einem feuchten Schwamm zu perfektionieren.

 

Eine solche Oberfläche ist wasserabweisend. Wer sie wasserdicht haben möchte, muss noch eine Runde arbeiten: Leinöl und Wachs werden zusammen erwärmt, die Paste mit dem Pinsel auf die Wand gebracht und mit einem Lappen gründlich eingerieben. Das geht erst nach dem völligen Durchtrocknen, was mehrere Wochen braucht, je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit.


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Kalkdruck - Blockdruck einmal anders

Die Wand ist mit ockerfarbenem Sumpfkalkmörtel verputzt; den feinen Glanz bringt eine darübergelegte hauchdünne Schicht Enkaustikmörtel. In diesen Putz hat Egidio einen Spiegel eingelassen und den Rahmen in Kalkdruck-Technik ausgeführt. Zunächst hat er mit Grafit eingefärbten Kalkmörtel aufgebracht, nach dem „Anziehen“ das Muster eingepreßt und die Vertiefungen mit ungefärbtem Mörtel ausgefüllt. Was übersteht, muss geduldig entfernt werden...


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Kalkdruck – anders herum

Das Motiv eines Holzmodels kann erhaben herausgearbeitet oder vertieft eingeschnitten sein, und jeweils gegenteilig erscheint es dann auf dem fertigen Werkstück.

Anders als beim Spiegelrahmen ist bei dieser Arbeitsprobe mit negativem Motiv gearbeitet worden; das Ergebnis ist also ein erhabenes Muster.

 

Die Abfolge der Arbeitsschritte: Zunächst wird Kalkmörtel in der gewählten Farbe (hier ocker) aufgetragen, dann in den handtrockenen Putz das Muster eingepreßt, und nach dem Trocknen (das dauert - je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit – etwa zehn Tage) kommt darauf eine Schicht kontrastfarbener Mörtel (hier ungefärbter), der die Vertiefungen ausfüllt; überschüssiges Material wird mit einem Schwamm abgenommen.


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Dieser Farbton darf in der Emilia-Romagna nicht fehlen: Hier wie überall, wo mit Ziegeln gebaut wird, hat man schon immer Rotkalk zum Verputzen und für Bodenbeläge eingesetzt, also Kalk, dem cocciopesto (Ziegelmehl oder Ziegelsplit) beigemischt wurde, ein reichlich vorhandener Zusatzstoff. Er bringt nicht nur die charakteristische Farbe mit, sondern verstärkt auch sehr erwünschte gute Eigenschaften des Mörtels (Atmungsaktivität, Dämmwirkung...).


ARBEITS-EXKURS

Wer sich für einen Praktikumsplatz in der Welthauptstadt des Mosaiks entscheidet, möchte natürlich auch etwas über diese alt-ehrwürdige Handwerkskunst erfahren. Die schwäbischen Stuckateure hatten Glück und sind zu einem Crashkurs in eine renommierte Werkstatt eingeladen worden.

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Die Chefin freut sich über Carlos Interesse und leitet ihn persönlich an.


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Hier werden die unterschiedlichsten Materialien zu Mosaiksteinchen zurechtgeklopft.


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So etwas Ähnliches stand auch in der Spätantike am Anfang von dem, was wir heute als „die Mosaiken von Ravenna“ bewundern.


NOCH EIN PRAKTIKUM IM PRAKTIKUM

Die agrarisch geprägte Romagna ist immer noch reich an Handwerkskultur. Selbst der traditionelle Stoffdruck ist bis heute erhalten geblieben, und Egidio hat seine Azubis auch in diese Technik eingeweiht, die er selbst weiterentwickelt und beherrscht wie vermutlich niemand sonst – und von der er auch seinen Kalkdruck abgeleitet hat.

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Anleiter und Lehrling haben eine Schürze ausgesucht, nun ermitteln sie die optimale Position für das Motiv – Carlo möchte sein Monogramm drucken.


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Mit dem Model wird die Farbe von einem überdimensionalen Stempelkissen aufgenommen.


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Damit sich die Farbe gleichmäßig auf dem Stoff verteilt und fest haftet, muss der Model kräftig aufgeklopft werden.


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Ein gelungenes praktisches Praktikumsergebnis...


 Zentrales Thema ist natürlich der eigene Beruf geblieben, und Carlo und Daniel haben noch viele Spezialitäten ihres Metiers kennengelernt.

 

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Hier zeigt der Meister das, was man großzügig „Enkaustik“ nennen darf; denn der Begriff kann auch in der Antike nicht einschränkend definiert gewesen sein, und Analysen sind aufgrund der chemischen Veränderungen durch die Jahrhunderte nicht wirklich aussagekräftig.

 

Wie jedes echte Handwerk ist auch die Enkaustik ein Thema mit Variationen, je nach Kultur und Zeitstufe, regionalen Besonderheiten und Erfordernissen. Sicher ist nur, dass Kalk und eine fettige Substanz beteiligt sind.

Egidio hatte eine Schicht Enkaustikmörtel aufgebracht und malt nun mit einem Gemisch aus Wasser, natürlichen Pigmenten und einer kleinen Zugabe von diesem Mörtel.


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Je gründlicher der Putz verpreßt wird, desto stärker glänzt er. Diese Technik ist auf den unterschiedlichsten Untergründen anwendbar, allerdings weniger gut auf Beton. Sie eignet sich – entsprechend modifiziert – auch für Holz. Die Malschicht kann zusätzlich mit Wachs oder Öl geschützt werden.


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In den drei Wochen sind Grundlagen gelegt worden – Carlo und Daniel können jetzt frei variieren und experimentieren. Und die Möglichkeiten sind unendlich...


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Manches Bild sagt mehr als tausend Worte!

Veranstaltungen

Kontakt
Verein Kalknetzwerk e.V.

 

Karola König

Hauptstraße 13
72622 Nürtingen

 

Tel.: (07022) 470573